Statement

 

Mit der 4. industriellen Revolution ergeben sich nicht nur für alle Bereiche der Wirtschaft gravierende Veränderungen, vor allem auch für den wachsenden Dienstleistungssektor. Digitalisierung und Automatisierung sind die Schlagwörter einer weltweiten Entwicklung, die stetig Innovationen mit sich bringt und noch ungeahnte Potentiale birgt. Das Gesundheitswesen in Deutschland ist eher Nachzügler dieser Entwicklungen, was nicht zuletzt auf die Sensibilität im Umgang mit medizinischen Daten zurückgeführt werden kann. Was in anderen Branchen ohne Hindernisse umgesetzt wird, stellt sich hier oft als schwierig und langwierig heraus. Aber gerade die Medizin kann Profiteur der digitalen Technik sein und damit letztlich auch der Patient. Eine personalisierte Medizin, die zielgerichtete Therapien ermöglicht, ist in Zukunft ohne IT nicht denkbar.

Andere Länder gehen bereits mit gutem Beispiel voran: Um individuelle Medikamente entwickeln zu können, wird in einem Projekt das Erbgut von einer Million US-Amerikaner untersucht. Mit entsprechender Software können innerhalb kürzester Zeit hochkomplexe Wechselwirkungsanalysen durchgeführt werden. Die Rolle der Gentechnik in Verbindung mit Big Data ist auch in der Krebsforschung zentral. So dient Blut als Datenträger, in dem das darin enthaltene Erbgut mit dem gesunder Menschen verglichen wird. Je früher krankhafte Veränderungen entdeckt werden, desto besser sind deren Heilungschancen. Hierbei dürfen medizinethische Überlegungen und datenschutzrechtliche Risiken natürlich nicht außer Acht gelassen werden.

Die Diskussion um die elektronische Gesundheitskarte, aber auch die wachsende Bedeutung von Gesundheits-Apps etc. spricht dafür, dass die Notwendigkeit einer Umstrukturierung der Gesundheitsbranche in Deutschland nicht nur erkannt wurde, sondern in vollem Gange ist. Neue Dienstleistungsunternehmen haben bewiesen, dass sie mit digitalen Geschäftsmodellen schneller die Potentiale des Marktes erkennen und so eine Verschränkung von IT und Services erreichen. Vernetzte Systeme vereinfachen nicht nur die Kommunikation, sondern optimieren auch Prozesse und Arbeitsweisen nachhaltig. Data Driven Companies, die häufig nicht im Gesundheitsmarkt verortet sind, erschließen schon jetzt in Echtzeit riesige Datenmengen. Durch den Einsatz innovativer Data-Mining-Verfahren und intelligenter Algorithmen werden gezielte Analysen durchgeführt, die einen Erkenntnisgewinn ermöglichen.

Um die Leistungsfähigkeit der digitalen Medizin auszuschöpfen, sollten neue Formen der Kooperation gefunden werden, die die Akteure über die Sektorengrenzen hinaus mit digitalen Playern verbinden. Auf diese Weise könnte die angebotsorientierte Entwicklung neuer Produkte auch bedarfsorientierter vonstattengehen. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit ist gefordert. Denn bisher besteht oft ein zu geringes Wissen über die Stärken und Kompetenzen des jeweils anderen. Die praktische Umsetzung solcher Entwicklungen stellt längerfristig auch einen wichtigen Wirtschaftsfaktor dar.

Einige regulatorische Hürden hemmen die Geschwindigkeit der Implementierung und Nutzung der vielen innovativen Projekte am Markt. Deshalb ist es wichtig, neben Qualitäts- auch über datenschutzrechtliche Standards zu diskutieren, die einen klaren Bewertungsrahmen vorgeben.

Um aus der Digitalisierung gewonnenes Wissen zu nutzen, braucht es zukünftig vor allem eine Veränderungsbereitschaft in der Versorgungsstruktur. Ein Einbeziehen und Nutzen der Möglichkeiten durch Gesundheits-Apps, Telemedizin und Co. sollte von allen Akteuren der Branche, also Krankenhäusern, Ärzten, Pflegeeinrichtungen und Krankenversicherern im gemeinsamen Dialog vorangetrieben werden und nicht an teilweise berechtigten Einwänden scheitern. Schließlich zielen digitale Strategien vor allem auf die Verbesserung der medizinischen Versorgung von Patienten und eine nachhaltige Verbesserung der Qualität des Gesundheitswesens ab.

Roland Nagel

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